Tag 2: Worms – Biederbach

Als ich wach werde, lacht mich ein strahlend blauer Himmel an. Na also, geht doch.

Gestern Abend habe ich als Tagesziel für heute „Biederbach“ erwählt und dort ein Zimmer in einem Dorfgasthof gebucht. Biederbach liegt oberhalb von Freiburg mitten im Schwarzwald. Das Frühstück fällt heute vergleichsweise kurz aus; ich kann es kaum erwarten, loszufahren und den Schwarzwald vom Motorrad aus kennenzulernen.

Die Honda rolle ich (vorsichtshalber) mit Hilfe der netten Rezeptionistin wieder rückwärts und in einer engen Kurve über die beiden Hindernisse hinaus auf die schmale Gasse und bin erst wieder halbwegs entspannt, als das erledigt ist 🙂
Im Sonnenschein und bei freundlichen Temperaturen geht es heute über Speyer, Bad Herrenalb und Freudenstadt bis nach Biederbach. Die Landschaft wird erwartungsgemäß immer schöner, je weiter ich in den Schwarzwald hineinkomme. Ich fahre über traumhaft kurvige Straßen, durch grüne Täler und genieße auf Bergkuppen herrliche Aussichten. Irgendwo an einer einsamen Stelle in der Nähe von Bad Herrenalb halte ich zum ersten Mal für eine kleine Pause und um den vielen Bildern nachzukommen.

Mittagspause mit Motorrad bei Bad Herrenalb, Schwarzwald
Mittagspause bei Bad Herrenalb

Mit dem Motorrad im Schwarzwald

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass meine Kollegen in Köln genau jetzt Mittagspause machen. Ich stelle mir vor, wie sie jetzt gerade im grauen Köln in einer schraddeligen Kantine sitzen und fühlte mich genötigt, Ihnen per WhatsApp ein Bild meiner Mittagspause zu schicken. Und weiter geht es durch die schöne Landschaft. Über die Murgtalstraße fahre ich etwas später in Freudenstadt ein, wo ich eine längere Kaffeepause mache. Hier ist einiges los: auffallend viel älteres Publikum sitzt bei Kaffee und Kuchen in den Cafés um den Marktplatz, aber auch etliche Radler und natürlich auch ein paar Moppedfahrer wie ich. Die Sonne brennt jetzt so kräftig von oben, dass ich mich unter einen Schirm verziehe.

(Auf dieser ersten Reise fotografiere ich noch relativ wenig; zu sehr bin ich mit dem Motorradfahren, den neuen Eindrücken und mit der Planung der jeweils nächsten Etappe beschäftigt. Ein Grund ist auch, dass ich gar keine Kamera dabei habe und der Akku meines alten iPhones in die Jahre gekommen ist. Eine Bordsteckdose habe ich zu dem Zeitpunkt noch nicht und muss unterwegs mit dem Strom haushalten.)

Als ich mich ausreichend gestärkt fühle, nehme ich die letzte Etappe in Angriff und kurve über Bad Rippoldsau, Wolfach und Haslach im Kinzigtal mit wachsender Begeisterung durch den Schwarzwald. Nach ein paar erfreulichen kleinen Umwegen komme ich gegen 18 Uhr in Biederbach beim Gasthof „Hirschen Dorfmühle“ an. Das Haus ist ein Glücksgriff: freundlich-zurückhaltender Empfang, das Zimmer für bescheidene 36,50 € (inkl. Frühstück!) ein gediegener Palast, mit Balkon und Ausblick auf den „Sternsteinhof“.

im Hotel Hirschen in Biederbach

Aussicht in Biederbach
Aussicht vom Balkon im „Hirschen Dorfmühle“

Ich richte mich ein, sitze noch ein wenig auf dem Balkon in der Abendsonne und genieße dörfliche Stille und Aussicht, bis mich der Hunger hinunter in die Gaststube treibt. Hirschgulasch, Spätzle und „Hirschen-Bräu“ kommen in amtlichen Portionen. Satt und zufrieden sitze ich anschließend über meinen iPad-Karten, um zu sehen, wie es von hier aus weitergehen könnte.

Wieder auf meinem Zimmer kommuniziere ich gut gelaunt über WhatsApp mit daheim, mache dabei den Akku leer und stelle fest, dass ich schon im ersten Hotel in Worms mein Ladekabel habe liegenlassen. Das ist doof, denn das iPhone soll unterwegs als (Not-)Karte und vor allem Ortungsgerät dienen. Die tägliche Streckenplanung erfolgt im Hotel mithilfe von Internet- und physischen Karten. Dann mache ich mir einen Waschzettel für den Tankrucksack, der die wichtigsten Orte der nächsten Tagesetappe auflistet. Die Möglichkeit, mich jederzeit per GPS über das iPhone orten zu können,  soll dafür sorgen, dass ich nach Lust und Laune von der Route abweichen und mich auch mal verfahren kann, ohne in Stress zu geraten.

Freiburg ist nicht weit – da wollte ich sowieso in diesem Leben noch mal hin – also werde ich dort morgen ein neues Ladekabel besorgen. Mit diesem beruhigenden Plan schlafe ich in dem großen weichen Bett ein, während vor dem Hotel ein Bächlein gurgelt.

Zum nächsten Tag