Heute ist die Kette noch mal dran, also fahre ich vor dem Frühstück erst einmal in die Garage unter dem Hotel, wo mein Reisemobil sicher und trocken steht. Ich gönne der Honda eine sorgfältige Kettenschmierung, die in Ruhe einziehen kann, während ich frühstücke.
Im großen und hellen Frühstückssaal des Hotels schaue ich wieder mal in die Karten, um die nächste Etappe meines Heimwegs zu planen. Obwohl es im Schwarzwald wunderschön war, will ich Köln auf neuen Wegen erreichen. Bei Kaffee, Croissants und Orangensaft buche ich für heute Abend ein Zimmer in Mandelbachtal. Klingt schön und hat die richtige Entfernung von hier. Nach der langen Etappe von gestern will ich es heute wieder gemütlicher angehen lassen.
Als ich aus der Stadt heraus bin, lese ich plötzlich auf einem Schild „Route des Crêtes“. Ups! Spontan biege ich links ab und folge dem Hinweisschild. Bei nächster Gelegenheit halte ich an und stelle auf dem iPhone fest, dass diese Straße in den Vogesen, die bei manchen als schönste Motorradstrecke Europas gilt, ganz in der Nähe ist. Bei besserer Planung hätte ich die sicher berücksichtigt. Dass mir dieses Juwel nun so vollkommen ungeplant in den Schoß fällt, aktzeptiere ich als glückliche Fügung.
Bei Cernay steige ich in die Route ein, die von Anfang an bezaubert. Es ist Donnerstagvormittag und ich habe mal wieder das Glück, fast alleine unterwegs zu sein. Hier und bei diesem Wetter hätte ich das nie im Leben erwartet. Nur gelegentlich ein kleiner LKW, ab und an ein anderer Motorradfahrer und am zahlreichsten die hart arbeitenden Rennrad- und Mountainbikefahrer begegnen mir unterwegs.
Die Fahrt vergeht wie im Rausch…
… Haarnadeln sei Dank wird man immer wieder aufgeweckt:
Ist das schön hier!
Ich vergesse die Zeit und auch sonst das Meiste und plötzlich, es ist ca. halb eins, befinde ich mich auf dem Grand Ballon. Hier oben tummeln sich jede Menge anderer Biker, meist in Gruppen. Ich gehe ein bisschen herum und versuche, die Aussicht einzufangen. Die elende Kamera des iPhone 4S taugt aber einfach nicht dafür. Also fotografiere ich wieder einmal mein Motorrad – vor der Kulisse der kaum erkennbaren Vogesen.

Hier oben gibt es kein Funknetz aber direkt neben mir eine Herde sächselnder Motorradfahrer. Süß. Ich mache, dass ich weiterkomme.
Und segele diese herrlichen Kurven hinunter…
Ich hätte nichts dagegen, wenn es bis nach Hause so weiterginge, seufz…
Irgendwann komme ich hinter Colmar wieder heraus aus den Vogesen und halte auf mein heutiges Ziel zu: den Dorfkrug in Mandelbachtal.
Als ich am frühen Abend in der Gegend ankomme, finde ich das Hotel nicht auf Anhieb. Die ersten Fragen bei der Bevölkerung ergeben: Mandelbachtal? Hier gib´sch kei Mandelbachtal…??? Ich bin irritiert. Lt. iPhone-Ortung müsste ich ziemlich nah dran sein. Die Gegend ist sehr ländlich und es dauert jeweils, bis mal jemand am Straßenrand erscheint, den man fragen kann. Im saarländischen Dialekt erfahre ich einiges über Ommersheim und Ormesheim und dass das von mir gesuchte Haus möglicherweise in Blieskastel (sprich: Blieskaschtl) liegt. Meine Verwirrung nimmt zu, je mehr Ortsnamen ins Spiel gebracht werden. In der nächsten Ortschaft bringt mich endlich ein offensichtlich gut Vernetzter auf die richtige Fährte. Er scheint in irgendeiner entfernten Verwandschaft zur Hotelbesitzerin zu stehen und wirkt alles in allem recht kompetent und vertrauenerweckend.
Mit seinen Tipps finde ich schließlich mein Hotel. Das ist so richtig nett und urig und als ich nach dem Einchecken in der gemütlichen Gaststube bei einem Bier auf mein Abendessen warte, fühle ich mich wohl und gut aufgehoben. Der Tag und das unerwartete Geschenk der Fahrt über den Grand Ballon waren einzigartig. Bei Traumwetter und ohne nennenswerten Verkehr – ist das zu fassen?
Am großen Tisch nebenan tagt offenbar der Stammtisch eines lokalen Sportvereins, es wird gerade über neue Geräte abgestimmt. Schließlich kommt eine Riesenportion Käsespätzle, die sehr lecker ist und die ich bis auf den letzten angebrannten Käsekrümel aufesse.
Am Ende des zweiten Bieres versuche ich mithilfe des iPads, den morgigen Tag zu planen. Ich stelle fest, dass es nur noch knapp 270 Kilometer bis nach Hause sind und die Wetterprognose ist außerdem bescheiden. Nach dem heutigen Tag würde mich auf dem restlichen Weg nach Hause vermutlich ohnehin wenig begeistern können… also beschließe ich, morgen über die Autobahn direkt bis nach Köln zu fahren.