Im „Hirschen“ ist um dieses Zeit im Mai noch nicht viel Betrieb. Außer mir sitzen nur wenige weitere Gäste beim Frühstück, überwiegend Wanderer, so wie es aussieht.
Es gibt keine nervige Hintergrundmusik und auch sonst geht hier alles wenig geräuschvoll zu. Nach dem Frühstück schlüpfe ich in die Motorradklamotten und fahre nach Freiburg. Der Weg ist kürzer als gedacht und bald bin ich in der Stadt. Freiburg sieht beim Durchfahren zwar reizvoll aus, ist aber um diese Zeit auch ziemlich verkehrsreich, so dass mir schnell die Lust vergeht, mich länger dort aufzuhalten. Ich finde einen großen Mediamarkt und dort auch ein passendes Ladekabel für mein iPhone.
Anschließend rolle ich noch ein bisschen durch die Stadt. Das gleichzeitige Schauen und Fahren fällt mir bei dem Verkehr allerdings schwer, und ich bin noch zu fahrhungrig, um jetzt schon eine Pause einzulegen. An diesem frühen Punkt meiner Existenz als Motorradreisende fühlt sich Sightseeing noch wie eine lästige Unterbrechung an. Dann fällt mir irgendwann ein, dass ich allein unterwegs bin und machen kann, was ich will. Also suche ich mir bei einem kurzen Stopp am Straßenrand ein neues Ziel, das weiteres Cruisen außerhalb der Stadt rechtfertigt und wähle COLMAR.
Der Weg nach Colmar ist nicht so schön, wie ich gehofft hatte, teilweise sogar recht langweilig. Dafür ist das Städtchen eine echte Überraschung. Mitten in der Altstadt finde ich nach einigem Herumkurven eine Möglichkeit, die Honda zu parken und staune, wie schön es hier ist. Fachwerk allüberall. Unter dem blauen Himmel ein freundliches Gewimmel der Einheimischen und ihrer vielen Besucher. Die Geschäfte sind schick oder mindestens originell und ich komme aus dem Schauen nicht heraus. Die vielen schmalen und breiteren Gassen sind alle so gleichermaßen verlockend, dass es schwer fällt, sich für eine Richtung zu entscheiden. Und so bummele ich ziellos ein wenig durch die Stadt, bleibe alle Naselang stehen, um in neue Schaufenster zu sehen oder ein Gebäude zu bewundern.

Irgendwann bin ich in den Motorradstiefeln genug herumgelaufen; außerdem ist es mittlerweile schon wieder ziemlich warm geworden, und ich trage neben dem Tankrucksack auch noch die Motorradjacke mit mir herum.
In einem hübschen kleinen Café in einer der pittoresken Gassen, die sich um das Zentrum herum gruppieren, warte ich eine ganze Weile und sehe dem Kellner dabei zu, wie er charmant mit seiner gesamten erreichbaren Umgebung kommuniziert und dabei ständig neue Brücken baut.
Während er ganz allein draußen bedient, kommt z.B. ein älteres Paar vorbeispaziert, das einen mittelgroßen Hund im Bollerwagen hinter sich her zieht.
Der Kellner ruft Ihnen im schönsten Elsässer Dialekt zu: „´at derr keine Beine, den ´Uund?“ Das Paar kommt heran, es wird gelacht und ich höre den Kellner erzählen, dass auch sein Hund manchmal recht faul sei. Während er so mit Getränken, Speisekarten oder kleinen Häppchen durch die Gegend flitzt, hat er immer noch Zeit für ein kurzes Schwätzchen und es macht Spaß, ihm zuzuhören.
Als ich endlich an der Reihe bin, fragt er erst vorsichtig, ob niemand mehr kommt? „Nein“, sage ich. „Waaas, allein mit dem Motorrrad uunterrwegs?“ fragt er mich ungläubig und sieht dabei fast ein wenig mitleidig aus. „Ja!“ lache ich ihn so fröhlich an, dass er sofort den mitleidigen Blick verliert und auch zu mir eine Brücke baut: „Wissen Sie, isch ´abe eine Tochter, 12 Jahre, die macht auch keine kollektive Spocht!“. Dann nimmt er meine Bestellung auf.
Ich trinke einen Cappuccino und schaue dem Treiben in der Gasse zu. Bei dem schönen Wetter ist hier einiges los und trotzdem ist vom Stress, den das in Köln verbreiten würde, hier nichts zu spüren. Ich fühle mich sehr entspannt und zufrieden. Bis sich die Hummeln in meinem Hintern wieder bemerkbar machen und ich zurück auf mein Mopped will. Es ist mittlerweile später Nachmittag geworden, also zurück in mein Schwarzwalddorf!
Nach dem Abendessen schmökere ich in meinen Karten und stelle fest, dass Biederbach eine ideale Ausgangsbasis für Touren in drei Richtungen ist: das Elsass, die Schweiz und die Vogesen locken. Und ich beschließe, noch mindestens 1-2 Nächte hier zu bleiben und in Ruhe das Umland zu erkunden.